Seit dem Urteil des Landgerichts Gießen vom 25. Februar 2021 (Az.: 4 O 84/20), womit einem klagenden Spieler das erste Mal ein Rückzahlungsanspruch verspielter Geldeinsätze gegen einen Online-Glücksspielanbieter zugesprochen wurde, ist eine Klagewelle ausgelöst worden.

Infolgedessen haben Juristen und Prozesskostenfinanzierer ein lukratives Geschäftsmodell aufgetan. Da die Rückzahlungsfälle sich in den einzelnen Sachverhalten stark ähneln, ist es möglich, das Bestehen von Rückzahlungsansprüchen teilautomatisiert zu prüfen und entsprechende Schriftsätze unter Einsatz intelligenter Vorlagen unkompliziert zu erstellen. Aus Sicht des Rechtsanwalts ist damit Rechtsberatung in vielerlei Fällen mit nur geringem Arbeitsaufwand möglich. Um eine Vielzahl an Mandanten zu gewinnen, wird häufig mit einer kostenlosen anwaltlichen Ersteinschätzung geworben.

Streitentscheidend für den Ausgang einer Spielerklage gegen ein Online-Casino auf Rückzahlung der getätigten Einsätze ist oft die Frage, ob § 817 S. 2 BGB teleologisch zu reduzieren ist.

Bei einer teleologischen Reduktion wendet ein Gericht „ausnahmsweise“ ein Gesetz nicht an, obwohl dieses Gesetz auf den Sachverhalt passt und grundsätzlich anzuwenden wäre.

Sehr viele Landgerichte hatten eine teleologische Reduktion bejaht.

DR. SARAFI hat in einem juristischen Fachaufsatz aus dem Jahr 2022 darauf hingewiesen, dass den Gerichten dabei ein Fehler unterläuft, wenn sie § 817 S. 2 BGB teleologisch reduzieren. Schon in der Vergangenheit hat der BGH selbst § 817 S. 2 BGB in den sog. „Schwarzarbeit-Fällen“ – dabei ging es in der Regel um Handwerker, die ohne Rechnung arbeiteten, damit sie am Fiskus vorbei Gewinne vereinnahmen und die Auftraggeber sich 19% Umsatzsteuer sparen -teleologisch reduziert und nicht angewandt. Der BGH hat aber seinen Fehler einige Jahre später eingesehen und fing an, unter Anwendung des § 817 S. 2 BGB beiden Seiten, also dem Handwerker seinem Anspruch auf Lohnzahlung und/oder den Anspruch des Auftraggebers auf Mängelgewährleistung, zu verneinen, da beide Parteien gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) verstoßen hatten.

DR. SARAFI hat rechtsdogmatisch hergeleitet, dass diese Grundsätze auch in den Spielerklagen angewendet werden müssen.

Erstmals hat sich das OLG Hamm mit Urteil vom 21.03.2023 – 21 U 116/21 dieser Argumentation angeschlossen:

„Ausgehend vom Wortlaut der Regelung ist der hinter § 817 S. 2 BGB stehenden Ratio (nämlich: Generalprävention) zum Durchbruch zu verhelfen und auf dieser Grundlage über die (Nicht-)Anwendung der Norm zu entscheiden (Thöne, JuS 2019, 193, 200). Eine einschränkende Auslegung des § 817 S. 2 BGB kommt deshalb im Hinblick auf ohne entsprechende, die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung schwarz gezahlten Werklohn nicht in Betracht. Zwischen den Vertragsparteien erfolgt in einem solchen Fall kein Wertausgleich. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen. Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung ist ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern. Dies gilt für bereicherungsrechtliche Ansprüche sowohl des Werkunternehmers als auch des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 II Nr. 2 SchwArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat (NJW 2015, 2406, 2407).

cc)

Diese Überlegungen sind nach Auffassung des Senats auf die Fallkonstellation der Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel zu übertragen, denn auch insofern kann die Verwirklichung des Gesetzeszwecks, welcher auch dem Straftatbestand des § 285 StGB zugrunde liegt, am wirksamsten erreicht werden, wenn auf beiden Seiten Rückforderungen wirksam ausgeschlossen sein können (Sarafi, ZfWG 2022, 149, 152).“

Wir freuen uns sehr, dass ein renommiertes Gericht wie das OLG Hamm, dessen Rechtsprechungen aufgrund seiner Dogmatik als Klausuren für Juristische Staatsexamen herangezogen werden, sich unserer Argumentation angeschlossen hat und damit der Rechtsprechung vieler Landgerichte eine Abfuhr erteilt hat.